Outdoorjacken sind schwer im Trend, gerade bei Großstädtern (Foto: Andreas Frücht in nw-news.de).
Siebenundvierzig Jack-Wolfskin und vierzehn The-Northface-Jacken bei einer einzigen Überquerung des Alexandersplatz, zählte eine verwunderte Tagesspiegel-Redakteurin an einem Tag im November.
Was bringt nicht nur Hauptstädter dazu sich in teils sündhaft teure und übertechnologisierten Multifunktionsjacken zu hüllen, die problemlos einer Everest-Besteigung standhielten, um zwischen U-Bahn und KaDeWe zu pendeln? Wie Die Zeit online in einem wirklich lesenswerten Artikel (hier) bemerkt, wurde im Wendland die halbe Führungsriege der Grünen in gleichfarbigen Outdoorjacken mit der markanten Wolfstatze via Fernsehen gesichtet. Worin liegt die Anziehungskraft solcher eigentlich für Abenteuer weit abseits der Großstädte konzipierten Outdoorbekleidung auf biedere Städter, die es kaum bis in den Tiergarten schaffen?
Die Outdoor-Branche boomt jedenfalls, trotz Krise und ohne dass unsere Natur überzulaufen droht, mit ambitionierten Freizeitsportlern. Laut zeit online wurden im vergangenen Jahr 1,6 Milliarden Euro für Outdoorbekleidung ausgegeben.
Ob sich die Outdoorjackenträger auf dem allmorgendlichen Weg zur Arbeit der Natur ein wenig näher fühlen, bleibt zu bezweifeln, schließlich gibt es kaum etwas artifizielleres, als eine Funktionsjacke aus Polyamid und Polyesterfleece, regendicht gemacht mit einer Schicht Polyuretan oder Polytetrafluorethylen. Die Zeit empfiehlt übrigens alternativ Wildschweinfell und Lebertran gegen die Kälte.
Ein besonders hässliche Spezies der in Funktionsplastik gekleideten Füßgängerzonenschleicher ist meiner Meinung nach der eineiige Zwillingsjackenträger: Meist in die Jahre gekommene grauhaarige Ehepaare, die das Budget ein wenig strecken konnten, indem sie die gleiche schrille Farbkombination gleich zwei mal kauften und den Mengenrabatt in Schwarzwälderkirsch investierten.
Neben dem Wunsch, dem Idealbild des rotbäckigen Naturburschen und Abenteurers zu entsprechen, kommen laut Zeit auch noch Kaufmotive wie "Eitelkeit", "Simulation von Grenzerfahrungen" und "Sensation Seeking" (Jochen Schweitzer lässt schön grüßen) für das Outdoorjackenmarketing in Frage. Was auch immer die fleißigen Konsumforscher und Insight-Sucher der Outdoorbranche an Motiven zu Tage bringen, Funktionsbekleidung ist momentan eine Maschine zum Gelddrucken.
Trotzdem schließe ich mich der Überzeugung des Journalisten an, dass Outdoorjacken an Reinhold Messner und in die wilde Natur gehören und in der Großstadt nichts zu suchen haben. Oder anders gesagt: "No Anorak, when in the Innenstadt!"
Zum Lesen des Original-Artikels auf www.zeit.de (hier) klicken.
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